Ein Forschungsprojekt zeigt mittels Verknüpfung von Daten der Lohnzettel und Arbeitnehmerveranlagungen wie österreichische ArbeitnehmerInnen ihr zu versteuerndes Einkommen beeinflussen um ihre Steuerlast zu reduzieren. So hilft Registerforschung um bei zukünftigen Steuerreformen mögliche Ausweicheffekte besser abschätzen zu können.
Während die nächste Steuerreform vermutlich etwas später als geplant auf den Weg gebracht wird, lohnt sich ein Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus vergangenen Reformen. Genauer gesagt auf die Auswirkungen solcher auf die Einkommensverteilung und die Beschäftigungslage im Niedriglohnbereich. So wird häufig angenommen dass wenn Arbeit zu hoch besteuert wird Leute mit einem Rückgang ihrer Arbeitsleistung darauf reagieren („Arbeit lohnt sich nicht mehr“). Oder aber dass Leute versuchen ihre Steuerlast dadurch zu senken indem sie vermehrt Absetzbeträge in ihrer Arbeitnehmerveranlagung angeben. Bisher mangelte es an verfügbaren Informationen um eine systematische, alle österreichischen ArbeitnehmerInnen einschließende Untersuchung dazu durchzuführen. Durch die Erschließung von Registerdaten gelang es jedoch diese Effekte im Paper „How do taxpayers respond to a large kink?“ empirisch zu erfassen.
Die Voraussetzungen für diese Analyse wurden durch die Steuerreform 2005 geschaffen. Plötzlich entstand ein starker Knick in den Tarifstufen, der Jahreseinkommen bis 10.000 Euro steuerfrei setzte und die darüber hinausgehenden Teile zu 38,33 Prozent belastet. Neben diesem starken Bruch zu den bisherigen Steuertarifen, wurden weitere Steuerabsetzmöglichkeiten geschaffen. Damit ergeben sich gute Rahmenbedingungen für ein natürliches Experiment mit der Frage: Wie verändern die SteuerzahlerInnen ihr Verhalten nach der Reform?
Dabei haben die ArbeitnehmerInnen mehrere Möglichkeiten auf die neuen Steuertarife zu reagieren: Sie können ihre geleisteten Arbeitsstunden und das Jahreseinkommen verändern oder verstärkt die Möglichkeit von Steuerabsetzbeträgen nutzen. Beides um ihr steuerpflichtiges Einkommen möglichst an den Punkt des neuen Grenzsteuersatzes zu verschieben.
Um aber beobachten zu können in welchem Ausmaß sie das tatsächlich tun, bedarf es der Verknüpfung zweier administrativer Datensätze: Den Daten aus der Arbeitnehmerveranlagung und den Lohnzetteldaten, die gemeinsam ein vollständiges Bild des Jahreseinkommens und der am Ende abgelieferten Steuerlast liefern. Wie die untenstehende Grafik eindrucksvoll zeigt, findet tatsächlich eine Verhaltensänderung bei den EinkommensbezieherInnen statt. Nach und nach verschiebt sich ein großer Teil von ihnen um den Bereich bei 10.000 Euro steuerpflichtigem Einkommen.
Dabei zeigt die blaue Linie die tatsächliche Verteilung der Einkommensbezieher - eingeteilt in Gruppen von 500 Euro um den jeweiligen Betrag - und die türkise Linie eine fiktive Verteilung, die sich bei außer Acht lassen der betroffenen Abschnitte um den Steuerknickpunkt ergeben würde. Bei den Bruttoeinkommen bildet sich im Laufe der Zeit eine deutliche Anhäufung der BezieherInnen bei knapp über 10.000 Euro. Noch evidenter ist der Anstieg bei den zu versteuernden Einkommen bei genau 10.000 Euro - ein Zeichen für die verstärkte Nutzung von Absetzbeträgen um die angezielte Einkommenssteuerlast von null genau zu erreichen. Im Jahr 2011 endet unsere Beobachtung vorerst - auch weil kein Zugang zu neueren Registerdaten mehr besteht. Die Ergebnisse lassen uns dennoch die Welt etwas besser verstehen. Aber warum ist es wichtig über die Reaktion der SteuerzahlerInnen auf eine Änderung der Steuersätze Bescheid zu wissen?
Am anschaulichsten lässt sich das anhand einer - vermutlich fiktiven - Geschichte erläutern. Ein britischer Gouverneur wollte in Indien einer Schlangenplage beikommen und wählte dafür eine augenscheinlich adäquate Lösung: Die Bevölkerung war angewiesen Schlangen zu töten und diese dem Kolonialherr vorzulegen. Für jedes tote Tier wurde im Gegenzug ein Kopfgeld ausbezahlt. Doch die Policy zur Bekämpfung der Plage scheiterte. Was passierte? Anstatt lediglich Schlangen zu töten, wurden sie von der Bevölkerung nun auch gezüchtet um durch deren Tötung Geld zu verdienen. Das Schlangenproblem hat sich so vervielfacht.
Die Essenz der Erzählung: Bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen muss berücksichtigt werden, wie Einzelpersonen auf diese reagieren. Im konkreten Erfolgsbeispiel kann bei zukünftigen Änderungen von Steuertarifen und Absetzmöglichkeiten besser abgeschätzt werden welche Minder- oder Mehreinnahmen entstehen. Damit EntscheidungsträgerInnen also nicht dastehen wie der britische Gouverneur, bedarf es auch der Forschung mit Registerdaten.
Über den Autor der Studie: Jörg Paetzold ist Assistenzprofessor an der Universität Salzburg und beschäftigt sich neben empirischer Finanzwissenschaft mit europäischer Integration, Arbeitsmarktökonomik und politischer Ökonomie.
Text und Grafiken: Lukas Schmoigl